Stadtnatur – Kreuzkröten, Mai – Die Amphibienwanderung ist vorbei!
Jedenfalls sind Erdkröten und Grasfrösche von der Straße, Molche auch. Aber das waren, bezogen auf den Jahresverlauf, nur die „Frühaufsteher“ unter den Amphibien. Es gibt da noch die „Spätaufsteher“. Denn Frösche und Kröten teilen sich das Frühjahr auf. Ab etwa Ende April beginnt die Hochzeit der „Spätaufsteher“.
Wer sind diese „Spätaufsteher“?
Es sind die Laubfrösche, drei Formen von Wasserfröschen (Kleiner Teichfrosch, Wasserfrosch und Seefrosch), Kreuzkröten und im Südwesten Nordrhein-Westfalens auch Wechselkröten. Sie kommen allesamt an warmen Frühsommerabenden bei rund 20 Grad und am besten noch nach einem warmen Regen so richtig in Fahrt. Sie produzieren laute, vielstimmige Froschkonzerte. Und das, fast die ganze Nacht hindurch. Die drei Wasserfrösche sogar bei Sonnenschein mitten am Tag. Wer jetzt abends nach 20:00 Uhr oder besser noch ab 21:00 Uhr auf den Brachflächen der Halden und Industriedenkmäler des Ruhrgebiets einen Abendspaziergang wagt oder schnell vor dem zu Bett gehen noch seinen Hund ausführt, der wird oft ein vielstimmiges, „schnarrendes“ Konzert hören. Es sind die Kreuzkröten!
Im Ruhrgebiet ertönt das Konzert zurzeit an vielen Stellen. Das Essener Zechengelände Zollverein (heute Weltkulturerbe) oder das 1985 stillgelegte Thyssen-Hochofenwerk Duisburg-Meiderich (heute Landschaftspark Duisburg Nord) gehören dazu. Hier ertönen des Nachts jeweils an mehreren Stellen Chöre von rund 20 und mehr balzenden Kreuzkröten-Männchen. Im Bild einer der „Chor-Sänger“ vor der nächtlich rot erleuchteten Kokerei auf dem Essener Zechengelände Zollverein. Hier bilden sich auf versiegeltem Boden (Asphalt) nach Regenfällen großflächige, mehrere zig Quadratmeter große Pfützen, die relativ lange das Wasser halten. Klappt das aufgrund von Regenfällen 4 bis 6 Wochen hindurch, kann eine ganze Kreuzkröten-Generation neu ins Rennen gehen.
Kreuzkröten gelten unter den Amphibien als D I E Charakterart des Ruhrgebiets. Ursprünglich lebte sie auf den Kiesflächen der Flüsse. Diese Kiesbetten wurden immer wieder durch Hochwasser verändert, verlagert, zugeschüttet, neu aufgeschoben. Und das ist das Ding der Kreuzkröten. Sie sind angepasst an sich schnell verändernde Lebensräume. Deswegen laichen sie praktisch fast das ganze Jahr hindurch. Geht der Laich im Mai verloren, macht das viel aus. Stimmen die Bedingungen, wird halt im Juni oder Juli noch mal nachgelegt.
Mit dieser genialen Überlebensstrategie nutzten die Kreuzkröten den Bergbau im Ruhrgebiet, denn er verschaffte ihnen (fast) vergleichbare Ersatz-Lebensräume. Denn überall, wo Bautätigkeit immer wieder flache, große Pfützen entstehen lässt, da ist für die Kreuzkröte eine Flussaue. Völlig egal ob Stahlhütten-Brache, Zechen-Brache oder Halden-Brache. Hauptsache ein „unordentliches“ Gelände, auf dem immer viel passiert. Jede abgelegte alte Bahnschwelle ist eine Tagversteck. Jede tiefe, wassergefüllte Lastwagenfahrspur wird kurzerhand zur Kinderstube.
Heute wird´s leider eng für die Kreuzkröte. Selbst im Ruhrgebiet. Denn Steinkohlebergbau, Kokereien, Stahlhütten- und Haldenbetriebe neigen sich dem Ende zu. Damit gibt es immer weniger Brachflächen, auf denen Baufahrzeuge offenen Boden mit großen, flachen Gewässern hinterlassen. Hinzu kommt, dass die verbliebenen Brachflächen oft „schön“ gemacht werden. Aber Rasen und Blumenbeete sind nun mal nicht das Ding von Kreuzkröte & Co.
Wo überleben also Kreuzkröten? Zunehmend nur noch in den meist unter internationalem Denkmalschutz stehenden Kulturdenkmälern. Beste Beispiele dafür sind die Flächen des Landschaftspark Duisburg Nord oder dem Essener Weltkulturerbe Zeche Zollverein. Dort hängen Kreuzkröte & Co dann quasi „am Tropf“. Denn Städte, Biologische Stationen (drei davon gibt es im bzw. am Ruhrgebiet), Naturschutzverbände oder engagierte Firmen legen Laichgewässer an und pflegen sie, damit Kreuzkröte & Co überleben können.
Wie sieht also im Ruhrgebiet die Zukunft von Kreuzkröte & Co aus?
Im Ruhrpottjargon: „Am liebsten gut“. Das bringt es auch auf den Punkt. Denn jetzt hängt alles davon ab, dass Nutzung und Pflege der verbliebenen Brachflächen die dortige Tierwelt integriert.
Das Wissen ist also vorhanden, Geld braucht es nicht viel…. Allein der Wille zählt!
© Wildes Ruhrgebiet – Peter Schütz