Aus Europas grüner Hauptstadt 2017: Das Essener Universitätsviertel
Mitten in der Essener Innenstadt liegt heute das Universitätsviertel. Es ist noch gar nicht lange her, dass dort nur eine langweilige graue Asphaltfläche war. Ab und an fand eine Kirmes statt oder es gastierte der Zirkus Krone. Ansonsten erinnert sich manch Essener nur an eine langweilige, staubige, graue Fläche – im Sommer stickig warm, im Winter eiskalt und windig. Doch das war gestern. Heute ist Essen zur „Grünen Hauptstadt Europas“ gekürt und das Univiertel ist umgestaltet. Grün- und Wasserflächen wurden angelegt. Beides, Wasser und Grün – wenn auch „nur“ Zier-Grün –, senkt vor allem nachts im Sommer die Temperatur und erhöht die Lebensqualität für Anwohner. Gleichzeitig werden die Flächen aber auch attraktiver für die tierischen Mitbewohner.
In Städten wie Essen sind es meist Enten und Gänse, die sich zu den künstlich angelegten Teichen und den umliegenden Grünflächen hingezogen fühlen. Aber das ist nicht das Einzige, was die Tiere anzieht: Nahezu permanent verfügbares Futter ist ein Lockmittel schlechthin. Denn viele Menschen meinen es gut und füttern, was das Zeug hält. Leider oft mit völlig ungeeignetem Futter: Backwaren! Doch nicht nur Wasser, Rasen, Bäume und Füttern locken: Es gibt dort einfach weniger Feinde als draußen vor den Toren der Stadt. Ab und an schnürt zwar mal ein „Stadt-Fuchs“ vorbei, eine „Freigänger“-Hauskatze schleicht des Nachts herum oder ein nicht angeleinter Hund prescht ausgelassen ins kühle Wasser. Gerade in der Essener Innenstadt berichten viele Passanten von Füchsen, die am Wasser patrouillieren – nur eine Frage der Zeit, wann auch wir einen von ihnen ablichten. Aber ein paar wenige Füchse, Hauskatzen und herumtollende Hunde sind kein Vergleich zum „Prädationsdruck“ (also dem Fress-Feind-Druck) außerhalb der Stadt, z. B. in der Ruhraue oder auch der Lippe-Aue. Denn dort machen große Greifvögel, Marder und so manch ein Jäger Jagd auf die Tiere. Selbst Igel, Eichhörnchen und Wildschweine verschmähen ein Enten-Gelege nicht. Und so haben viele städtische Wasservögel ihre von Natur aus 100 Meter und mehr betragenden Fluchtdistanzen in der für sie viel sichereren Stadt eher in den Nahbereich verlegt… Zwei bis drei Meter lassen sie einen Menschen heran, manche nehmen das Futter sogar aus der Hand. Als ob das nicht schon genug wäre, zeigt so mancher selbstbewusste Kanadagans einem unbekümmerten Passanten fauchend, wer hier der Herr – sorry – die Gans am Teich ist!
Und so tummeln sich zwischen vielen Spaziergängern neben den obligatorischen Stadttauben auch Stockenten, Bläss- und Teichrallen, Nil- und Kanadagänse, Dohlen, Rabenkrähen und manchmal auch Saatkrähen. Stockenten und Kanadagänse führen im Frühjahr ihre Jungen durch das Gebiet und schlängeln sich dabei mit ihrer Küken-Karawane furchtlos durch Passanten, Kinderwagen, Rollatoren und Parkbänke. Nicht zu vergessen: Zu der bunten Wasservogel-Gemeinschaft gesellen sich viele anpassungsfähige Singvögel, die ebenfalls vom Wasser und vom leicht verfügbaren Futter profitieren. Und nicht wenige Passanten genießen diese Augenblicke in der „Stadtnatur“. Im Winter finden sich im Universitätsviertel sogar einige Lachmöwen ein, die das vergleichsweise mildere Stadtklima genießen. Auch sie finden hier viel leichter Nahrung als anderswo.
Für Natur-Fotografen sind solche Orte ein wahres Eldorado – sie müssen sich nur flach auf den Boden legen und warten … Mit Glück können sie so z.B. die sonst scheuen Dohlen aus nächster Distanz fotografieren. Aber so einfach ist das am Ende dann oftmals doch nicht. Denn die Fotomodelle machen zwar keine Probleme, aber im besten Foto-Moment kommt garantiert ein Mensch vorbei, der lauthals fragt, ob man was verloren hätte, ob er helfen könne, oder ob er einen Krankenwagen holen müsse. Die dringliche Bitte, umgehend aus dem Weg zu gehen und so etwas bitte nicht noch mal zu fragen, wird in der Regel überhaupt nicht verstanden – und Dohle & Co haben in der Zwischenzeit längst Reißaus genommen. (Natur-)Fotografenschicksal im Ruhrgebiet …
Fotos: © Wildes Ruhrgebiet – Alexander Krebs, Irina Maria Curuia, Juliane Heller
Text: © Wildes Ruhrgebiet – Alexander Krebs / Lektorat: Anna Thelen