Kein Witz: Die mit bis zu 1,80 Meter Flügelspannweite weltweit größte Eulen-Art, der Uhu, brütete dieses Jahr erstmalig „öffentlich“ und nicht heimlich-versteckt mitten im Ruhrgebiet. Ein Uhu-Paar suchte sich dazu den „Malakowturm“ auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Ewald in Herten als Brutplatz aus.
Wie kommen Uhus ins Ruhrgebiet?
Uhus gab es seit jeher überall in Deutschland, auch im heutigen Ruhrgebiet. Dann waren sie in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts plötzlich weg, denn Vogel-Jagd und Umweltgifte (DDT) hatten sie fast ausgerottet. DDT wurde verboten und die EU-„Vogelschutz-Richtlinie“ schützt heute vor der Bejagung. Und so kehrte die größte Eulen-Art der Welt step by step in ihre alte Heimat zurück, ähnlich wie Biber oder Weißstorch . Heute sind Uhus im Ruhrgebiet gar nichts Ungewöhnliches mehr. Fast jede Ruhrgebietsstadt hat heute „ihr“ Uhu-Paar, meist heimlich und versteckt, und das ist vielleicht auch ganz gut so. Doch nun wieder zurück zur Zeche Ewald in Herten.
Drei Uhus werden mitten im Ruhrgebiet geboren
Im Frühjahr 2017 schaffte es das Uhu-Paar in Herten, drei gesunde Küken zur Welt zu bringen. Der Brutplatz lag bestens einsehbar auf einem breiten Fenstersims am alten Schachtturm der Zeche Ewald. Die fünfköpfige Uhu-Familie wurde zur Attraktion. Mehr und mehr Besucher, Fotografen und Ornithologen kamen mit Handy, Teleobjektiv, Fernglas und Spektiv. Für die Uhus war der Rummel kein Problem. Selbst die abendlichen Musik-Veranstaltungen des Travestietheaters „RevuePalast Ruhr“ in der ehemaligen Heizzentrale direkt nebenan machten ihnen wenig aus. Auch von den zwei Biergärten, in denen an sommerlichen Tagen Kinder und Hunde spielend und herumtollend für ordentlich Trubel sorgen, ließen sie sich nicht stören. Da die Uhus ohne Probleme zu beobachten, zu filmen und zu fotografieren waren, schafften sie es auch in die Tageszeitungen und ins WDR-Fernsehen. Die drei Jungen wuchsen und gediehen. Doch bis Ende Mai verschwand einer nach dem andern. Waren sie flügge geworden?
Eine Rettungs-Aktion, die nachdenklich stimmt!
Eigentlich ging alles gut, bis der erste Jung-Uhu genau das machte, was junge Uhus fast immer machen – egal ob an einer natürlichen Felswand in der Eifel, an der Wand eines einsamen Steinbruchs bei Wuppertal oder wie hier in Herten an einer Gebäuderuine: Sie verlassen das Nest, bevor sie richtig fliegen können. Von da an werden sie von den Altvögeln am Boden noch so lange weiter versorgt, bis ihre Flügelmuskulatur fertig ausgereift ist und sie aus eigener Kraft starten können. Doch so weit kam es nicht auf Zeche Ewald. Denn alle drei Jungvögel landeten zwar im Gleitflug zunächst auf dem Boden, aber dann ging es per „Feuerwehr-Taxi“ in zwei Auswilderungsstationen. Dort tat man das gleiche, was die Uhu-Eltern auf Zeche Ewald auch gemacht hätten: Die jungen Uhus wurden bis zum Tag des ersten eigenen Fluges mit Futter versorgt und dann der Freiheit übergeben.
Warum also diese Feuerwehr-Aktionen?
Zum einen aus Sorge davor, dass die jungen Uhus am Boden früher oder später doch zu Schaden kommen. Denn viele Hunde laufen täglich frei unter dem Brutplatz im Malakowturm herum, darunter auch recht große Hunde. Zum anderen aus Angst, dass einer der Altvögel beim Versuch, seinen Nachwuchs gegen Hunde oder allzu unbedarft spielende Kinder zu verteidigen, einen Menschen verletzt. In einer abgelegenen Felswand in der Eifel oder in einem einsamen Steinbruch passiert das nicht so leicht, selbst nicht auf einem alten Friedhof oder einer größeren Parkanlage im Ruhrgebiet.
Für 2018: Gezielt Vorbereiten!
Was also tun wenn die Uhus 2018 – hoffentlich – an gleicher Stelle noch einmal brüten? Knapp ein Jahr ist bis dahin jetzt Zeit, vielleicht Zeit genug, um kreativ zu werden. Denn die „Nestflüchtlinge“ werden dann wieder zwischen Musikveranstaltungen, Biergärten, spielenden Kindern und umherlaufenden Haushunden ihre ersten Wochen außerhalb des Nestes verbringen wollen, bis sie sich aus eigener Kraft in die Lüfte schwingen.
Die Fragen, die sich jetzt schon stellen, liegen auf der Hand: Wäre es machbar, für die relevanten zwei bis drei Wochen die Fläche um den Malakowturm herum mit einem mobilen, klettersicheren Zaun, rot-weißem Flatterband und ein paar informativen Schildern abzusperren? Wäre es möglich, zusätzlich an den Wochenenden eine Art von Ranger-Job zu organisieren? Das sind nur zwei von vielen Ideen … Es mag noch viele mehr geben. Die für Natur- und Artenschutz behördlicherseits zuständige Kreisverwaltung, ehrenamtliche Naturschützer, Ornithologen, die Eigentümer der Flächen, die Betreiber der Gebäude und der Biergärten werden das diskutieren und sich schlussendlich auf ein gemeinsames Handeln einigen müssen – wir drücken den Uhus und allen Beteiligten die Daumen.
Derweil fliegt das Uhu-Paar weiter „auf Zeche Ewald“, über die benachbarten Halde Hoheward und den nahen Emscherbruch, um dort ihre Lieblingsbeute zu jagen: Ratten! Gerade während des Vollmonds in der ersten Juni-Woche waren wunderschöne Beobachtungen und Fotos der Uhu-Eltern auf Ewald möglich und jetzt, im Juli, jagen sie dort immer noch. Hoffen wir, dass sie noch lange bleiben.
Text: © Wildes Ruhrgebiet (Peter Schütz & Anna Thelen)
Bilder: © Wildes Ruhrgebiet – Markus Botzek, Stefan Fabritz, Peter und Robin Schütz