Naturkontakte: Die Vogelfütterung

Naturkontakte: Die Vogelfütterung

Wer in der Stadt ein Naturerlebnis sucht, sollte einfach mal die Singvögel füttern. Vögel sind tagsüber aktiv und leicht zu finden, und so ist es ein einfacher Zugang zu einem schönen Hobby.

Schon eine einfache Futterstelle im Garten oder auf dem Balkon lockt die Wildvögel an und die ersten Gäste finden sich sehr schnell ein. Denn Vögel sind Opportunisten und nehmen gerne eine einfache Ernährung an. Dies ist ein Verhalten, das man in der Wildnis auf der ganzen Welt erleben kann. In Afrika sind es die großen Säuger, die durch die Savannen laufen, den Staub aufwirbeln und so den Vögeln die Beute leicht machen. Hier bei uns ist es eben die Futterstelle, wo auch immer wir sie aufgestellt haben.

Jedes Jahr kann man den Beginn der kalten Jahreszeit bestimmen! Doch hier sind nicht die vielen bunten Weihnachtsleckereien gemeint, die zum Ende des Sommers in den Regalen einiger Supermärkte erscheinen, sondern das Vogelfutter-Sortiment, das fast parallel dazu ausgelegt wird. Aber warum soll man eigentlich nur im Winter füttern? Es gibt seit vielen Jahren eine Debatte, ob man im Sommer Futter anbieten sollte. Und es gibt einige gute Argumente, die für eine Ganzjahresfütterung sprechen. Die folgende drei Aspekte zeigen, dass es heute sehr viel weniger Nahrung für Vögel gibt als vor 100 oder selbst noch vor 20 oder 30 Jahren:

Weniger Insekten: Wer erinnert sich noch, wie das Auto nach einer längeren Fahrt über Land etwa in den 80er Jahren ausgesehen hat? Kühlergrill und Frontscheibe waren stark verklebt mit Insekten bzw. davon, was von ihnen nach dem Aufprall übrig blieb. Heutzutage finden sich an diesen Stellen nur noch wenige Insekten, schlicht weil es nachweislich viel weniger davon gibt.

Weniger Körnerfutter: Gerade im Ruhrgebiet hatten viele Menschen in den klassischen Bergarbeitersiedlungen Kleinvieh im Stall hinterm Haus. Kaninchen, Hühner und manchmal auch Gänse waren ganz normal. Sie wurden das ganze Jahr über gefüttert – und mit ihnen ganz automatisch auch Scharen von Hausspatzen. In fast jeder Hecke „tschilpte“ es.

Und heute? Hühner weg – Spatzen (fast) weg!

Keine Erntereste auf den Feldern: Immer intensiver und effizienter bearbeiten die Landwirte heutzutage ihre Felder – und die Technik hilft ihnen. Damit bleibt nach den Ernten fast nichts mehr zurück: Keine Blüte, kein Samen, selbst unverwertbares Restgrün geht noch als Rohstoff in die Biogasanlage. Vögel brauchen jedoch all diese Nahrung zum Überleben und vor allem die proteinhaltige Insekten-Nahrung zur Aufzucht der Jungen.

Doch es liegt auch an der modernen Bauweise der Häuser. Jeder defekte Dachziegel wird ausgetauscht – und somit jede mögliche Bruthöhle fachgerecht versiegelt. Aber in diesem Fall gibt es Hilfe: Mittlerweile werden Dachziegel mit integrierter Bruthöhle auf dem Markt angeboten.

Die Tiere verlernen übrigens trotz Sommerfütterung nicht, sich selbst zu versorgen, denn die Vögel wissen immer noch, wie sie ihre Nahrung aus den Verstecken fischen können. Deswegen kann man in der warmen Zeit auch gerne etwas weniger Futter hinstellen, doch dafür sollten es Mischungen mit Honigmaden, Mehlwürmern und ähnlichem sein. Wer etwas Passendes sucht, wird inzwischen in jeder größeren Zoohandlung fündig. Glücklich ist heute die Meise, die einen Knödel findet. Hier kann sie sich erst einmal selber stärken, und wenn es dann noch ein Meisenknödel mit Insekten ist, bekommt der Nachwuchs auch etwas ab.

Aufgrund des Nahrungsmangels wandern viele Vögel vom Land in die Städte. Beispielsweise ist die Amseldichte in den Städten höher als auf dem Land. Die Vögel ziehen in die urbanen Regionen um, weil es hier mehr Nahrung gibt. Eine achtlos weggeworfene Pommes Frites stellt so ein Festmahl für Krähe und Co. dar. Und die städtischen Abwassergräben locken Reiher und Möwen an, denn auch hier gibt es immer etwas Nahrhaftes zu finden. Auch der eigene Garten ist ein wichtiges Biotop für Singvögel geworden. Hier darf ein Apfelbaum einfach sein, wie er ist, und wird nicht unter Netze gestopft.

Mittlerweile existieren viele Informationen, wie man den eigenen Garten vogelfreundlich gestalten kann und dadurch noch einige Arten mehr ans Haus locken kann. Der Biogarten-Trend macht hier auch einiges möglich. Vögel betrachten unsere Gärten als einen Flickenteppich verschiedenster Biotope. Und so wandern sie Tag für Tag von Garten zu Garten, um sich ihr Leben in der Stadt angenehmer zu gestalten.

Aber nicht nur Gärten locken die Vögel. Selbst in den Innenstädten von Essen, Gelsenkirchen oder Bottrop findet man unter vielen Balkonen brütende Singvögel. Also sollten wir ihnen mit einer Fütterung helfen, selbst wenn es nur auf einem Balkon ist. So können wir helfen – und nebenbei die Tiere beobachten und sie kennenlernen.

Info:

Weitere Tipps für den vogelfreundlichen Garten finden Sie hier: Wildvogelhilfe

Vogelfuttersysteme und mehr bei: Vivara

Ich erinnere mich daran, wie ich vor einigen Jahren im Winter bei meiner Mutter am Esstisch saß mit direktem Blick auf unserer große Terrasse. Vor dem großen Fenster hing ein Vogelhaus etwa anderthalb Meter über dem tiefen Schnee. Und während wir unsere Mahlzeit im warmen Haus einnahmen, taten dies auch viele unterschiedliche Vögel. Sie flogen an, nahmen sich etwas aus dem Angebot und flatterten wieder weg, einige Flügelschläge später waren sie wieder da. Wir beobachteten eine Ordnung zwischen den großen und den kleineren Vögeln: Wer durfte zuerst ran, wer flog wieder weg und kam etwas später wieder, wer nahm aus dem Vogelhaus, wer pickte sich etwas aus dem Schnee heraus. Wir hatten längst zu Ende gegessen und saßen und schauten immer noch, irgendwann kochten wir Kaffee und meine Tante holte ein Bestimmungsbuch.

Wer Vögel auf der Terrasse hat, benötigt keinen Fernseher.

Text: © Wildes Ruhrgebiet – Peter Schütz & Alexander Krebs, Lektorat: Volker Kienast

Fotos: © Wildes Ruhrgebiet – Stefan Fabritz, Norbert Kilimann, Alexander Krebs, Dr. Daniel Segelcke