Krabben im Rhein? Gibt’s doch gar nicht! Gibt es doch! Und nicht nur im Rhein. Es gibt sie in der Weser, in der Elbe und wohl in den meisten europäischen Flüssen. Sie stammen aus Asien und heißen „Wollhandkrabben“, wissenschaftlich Eriocheir sinensis. Ihre Heimat: Die Ufer des Flusses Jangtsekiang in China.
Die Invasion
Wollhandkrabben wurden um 1900 durch Menschen von Asien nach Europa verschleppt. Unabsichtlich! Vermutlich als Larven im sog. „Ballastwasser“ großer Handelsschiffe.
Von den europäischen Seehäfen aus wanderte die Wollhandkrabbe ohne nennenswerte Konkurrenten und Räuber die Flüsse hinauf bis tief ins Europäische Binnenland: 1912 die Aller hinauf, danach Elbe, Weser, Ems und spätestens ab 1931 auch den Rhein samt Seitenflüsse- und Bäche bis hinauf zum Bodensee! Heute hat sich die Chinesin erfolgreich in den Gewässersystemen Europas eingebürgert, vermehrt sich an hiesigen Flussmündungen wie zuhause an der Jangtsekiang-Mündung. Sie ist Teil der hiesigen Fauna geworden.
Wollhandkrabben (Eriocheir sinensis) wandern jedes Jahr im Herbst die Ufer von Rhein, Ruhr und weiteren Flüssen hinab. Hier sind sie in der Dämmerung im Flachwasser zu finden.
Lebenswandel zwischen süß und salzig
Faszinierend ist ihr Lebenswandel: Ein Wandel zwischen süß und salzig! Im Frühsommer wandern die 4-5 Jahre alten Wollhandkrabben die Flüsse hinab zum Meer. An den Flussmündungen erscheinen zuerst die Männchen. Sie fangen dort die später anrückenden Weibchen ab, um sich zu paaren. Danach sterben die Männchen und die begatteten Weibchen wandern alleine weiter ins Meer.
Im küstennahen Salzwasser der Nordsee leben sie mit ihren 300.000 bis 900.000 befruchteten Eiern noch bis ins nächste Jahr hinein. Dann schlüpfen die Larven, die Mütter sterben. Zwei Jahren später wandert eine neue Generation von Wollhandkrabben dem Süßwasser entgegen in die Flussmündungen und weiter die Flüsse hinauf. So gelangt ein Teil der Wollhandkrabben über den Rhein in die Lippe, den Lippe-Seitenkanal, die Ruhr, die Emschermündung und in den Rhein-Herne-Kanal bis tief ins Ruhrgebiet.
Der übrige Teil wandert den Rhein hinauf weiter in Richtung Bodensee. Nach Erreichen der Geschlechtsreife beginnt ein neuer Zyklus des Lebens: Wanderung zum Meer, Paarung und Tod an den Flussmündungen!
Nachtaktiv
Chinesische Wollhandkrabben sind überwiegend in der Dämmerung und vor allem in der Nacht aktiv. Sie leben im Wasser, können aber begrenzte Zeit auch Landausflüge gut verkraften. Gut genährt können sie bis zu 30cm lang werden, die meisten Tiere bleiben aber etwas kleiner. Der dichte „Haar“-Pelz auf den Scheren der Männchen stand Pate für den Namen: „Wollhand“.
Sie sind genügsam, was die Wasserqualität angeht und alles andere als Feinschmecker: Von Wasserpflanzen, über Insektenlarven, Muscheln und Schnecken, anderen Krebsen, Fischen bis hin zu Aas wird alles verspeist. Und mit Aas kann man sie bestens anlocken. Doch genau dies ist für Angler und Reusen-Fischer ein Problem: Ihre Netze hier im Binnenland blieben bislang von Krabben verschont. Doch seit die Wollhandkrabben in die Flüsse eingewandert sind, müssen sich die Menschen Ihren Fang mit ihnen teilen. Bleiben die Reusen, voll mit Fisch, zu lange im Wasser, sind die Krabben schneller und laben sich an der leichten Beute. Für den Fischer bleiben dann nur angeknabberte Fische und satte Krabben.
Wollhandkrabben sind essbar, gehören in der Jangtsekian-Region in China zum täglichen Essen und gelten mittlerweile auch in einigen europäischen Feinschmeckerrestaurant bereits als Spezialität.
Rezept: Chinesische Wollhandkrabben-Suppe
Text: Peter Schütz, Volker Kienast
Alle Bilder: © Wildes Ruhrgebiet – Peter Schütz